Weilbacher Kerb erfreut sich steigenden Zuspruchs – Viele Vereinsbeitritte beiWeilbach 6091
Beim Höhepunkt des Kerbetreibens, was die traditionellen Rituale angeht, quillt der Festplatz vor dem Haus am Weilbach gewöhnlich über. Das hatWeilbach 6091 auch in diesem Jahr wieder prima hinbekommen. Am Montagabend lockten der traditionelle Gickelschlag und die Hammelversteigerung an den Ortsmittelpunkt. Zeit auch für ein erstes Fazit. „Es ist eine wunderbare Kerb geworden“, urteilte Alt-Kerbevadder undWeilbach-6091-Gründungsvorsitzender Marcus Reif, der den Gickelschlag moderierte. Das Urteil litt auch am vorletzten Abend der Kerbezeit nicht mehr, die am Dienstagabend mit der traditionellen Kerbeverbrennung ganz nach althergebrachtem Ritus endete.
Zum Gelingen einer jeden Kerb sind vor allem zwei Dinge notwendig: jede Menge ehrenamtlich Aktive und die Nachfrage in der Bevölkerung. Während andernorts die alten Traditionen genau deshalb Probleme haben sich zu halten, blühen die Weilbacher derzeit geradezu wieder auf. Vorsitzender Matthias Theis berichtet von rund 30 Personen, die alleine am Sonntag ihre unterschriebene Beitrittserklärung zu Weilbach 6091 abgaben. „Da sind 15-Jährige dabei, die nächstes Jahr aktiv sein wollen, bis hin zu Älteren, die die Kerb, wie wir sie machen, einfach gut finden und uns unterstützen wollen“, erläutert er. Der Verein nähert sich damit der Zahl von 300 Mitgliedern.
Auch bei der Jahrgangsstärke geht es inzwischen wieder aufwärts. Wenn auch durch die Corona- Einschränkungen mit verursacht, bestand der Kerbejahrgang vor zwei Jahren aus gerade noch acht Aktiven. Diesmal sorgten wieder 19 junge Leute neben den Vereinsvorständlern für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen und Rituale. Das Bild bestimmten am Montagabend aber besonders die Altkerbeborsch der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, die in ihren lila Jahrgangs- oder Jubiläumsshirts zusammenkommen. Die „Weilis“, der Kerbejahrgang 2014, trieben es auf die Spitze, feierten ihr Jubiläum bereits ab dem späten Vormittag am Haus am Weilbach und zeigten sich am Abend entsprechend präpariert, allerdings noch erstaunlich gut in Schuss.
Vor dem Gickelschlag arbeitete der Vorstand einen Programmpunkt ab, der ausnahmsweise etwas ernsterer Natur ist, aber wichtig ist um zu zeigen, dass bei aller, manchmal auch maßlosen Feierei die Weilbacher wissen, dass es im Leben auch schwierige Situationen geben kann. Dann geht es um Wichtigeres als Festtraditionen. Seit vielen Jahren unterstütztWeilbach 6091 daher den Frankfurter Verein „Hilfe für krebskranke Kinder“. Dessen Repräsentant Patrick Link durfte in diesem Jahr von Theis einen symbolischen Scheck über 1.500 Euro entgegennehmen.
Wie gewohnt, setzt sich der Betrag aus dem Erlös des Kuchenverkaufs am Sonntagnachmittag sowie Spenden zusammen, die gezielt für diesen Zweck gesammelt wurden, großzügig aufgerundet aus der Vereinskasse. Auch das bewährte Kuchenteam durfte sich bei der Gelegenheit vorstellen und den wohlverdienten Dank abholen. Beim Gickelschlag sorgten die Zeremonienmeister dafür, dass sich die Panne vom Vorjahr nicht wiederholt. „Wir brauchen am Anfang jemanden, der keine Chance hat“, sprach Reif die Vorgabe ganz offen aus. Denn 2023 erwischte bereits der zweite Kandidat den „Gickel“ in Form eines Bembels mit dem Dreschflegel. Heinz Laucks Coup verkürzte das tragende Element des Kerbespaßes radikal. DenWanderpokal, ein von Thomas Reinelt gestifteter, stilisierter Metallhahn, musste er nun wieder abliefern. In den Kreis hinein, sich die Augen verbinden lassen, den Flegel schwingen und auf den Boden knallen lassen, idealerweise dort, wo der Bembel vermeintlich abgelegt wurde – diese Ehre wird ausgewählten Vertretern der Altkerbeborschen in Jubiläumsjahren zuteil.
Die Reihe eröffnen durfte Lukas Weilbächer als Mitglied der „Weilis“. Er ist kerbeerfahren genug um gewusst zu haben, dass der am Boden entlanggeschrabbte Bembel nicht mehr dort liegt, woher das Geräusch kam, wenn er zuschlägt – ein Zählkandidat, genau wie seine beiden Nachfolger Dominic Dienst und Mario Theis, Finanzvorstand von Weilbach 6091. Dann ging der Dreschflegel an den vierten Kandidaten Thomas Schmidt weiter, Repräsentant des Kerbejahrgangs 1994. Der Ortsvorsteher knallte den angeketteten Holzbalken auf das Tongefäß nieder – und nun kann er sich beim Betrachten des Wanderpokals ausmalen, wie er am Kerbedonnerstag 2025, zum Auftakt des Festes, den neuen Jahrgang am Haus am Weilbach auf seine Kosten verköstigt. Denn das ist Teil des Deals, auf den die Teilnehmer sich einlassen.
Auch wer bei der Kerb einen Hammel ersteigern will, der seit 2023 kein leibhaftiger Hammel mehr ist, sondern ein Bembel (nicht der zerschmetterte) mit einem hineingestopften Plüschschaf, muss investieren. Theoretisch nur ganze fünf Euro, der Erhöhungseinsatz, mit dem die Bieter bei der Versteigerung den Anspruch auf das „Tier“ übernehmen. Dazu zeigen sie Auktionator Pascal Schäfer ihren Willen an und werfen den Betrag nach seinem Aufruf in eine Sammelmütze. Wenn der Hammer fällt, haben unzählige Gäste der Kerbeshow einen finanziellen Beitrag zur Finanzierung der Aktivitäten vonWeilbach 6091 geleistet, aber nur der letzte Bieter bekommt den Plüschhammel.
Theis kann sich nicht erinnern, dass schon einmal so viel Geld zusammenkam wie diesmal – bei 2.600 Euro klopfte Schäfer dreimal auf seine aus vier aufeinandergelegten Europaletten bestehende Bühne und beendete die Show. Da war es schon dunkel geworden – der Auktionator zeigte diesmal gewisse Schwierigkeiten, den Prozess durch das stufenweise Erhöhen der Mindesteinlage zu beschleunigen. Bei 400 Euro gab es den ersten Meter Äppelwoi, bei 700 Euro den ersten Asbach-Meter für den aktuell Bietenden. Erst als 1.500 Euro erreicht waren, ging es in Zehn-Euro-Schritten weiter. Der hohe Endbetrag wurde nur möglich, weil mehrfach Bieter mit erstaunlichen Beträgen große Sprünge um 250 und 300 Euro finanzierten. Zur Belohnung für das Überschreiten der ganz runden Summen gab es Tanzeinlagen des Kerbejahrgangs, die zeigten: Wer bei der Kerb mitmachen will, muss schon etwas lernen… Die ganz krassen Sprüche und Songs kamen zwischendrin von den „Weilis“, die ganz alten, traditionellen Gesänge erst im weiteren Verlauf der Veranstaltung, als die Aktiven und Ehemaligen mehr oder weniger unter sich waren, denn „viele alte Lieder werden erst abends ausgepackt“, erläutert Theis.
In seinem Resümee zieht der Vereinschef ein sehr zufriedenes Fazit der diesjährigen Kerb. Dazu zählte nicht zuletzt der am wenigsten zu beeinflussende Faktor, der Verein und Kerbejahrgang in jüngster Vergangenheit schon einmal mächtig ins Kontor geschlagen hatte. Von stürmischen oder auf andere Weise unfreundlichen Wetterbedingungen war diesmal aber keine Spur. Nur am Samstagnachmittag gab es über Weilbach ein bisschen Regen, „da waren aber noch keine Gäste da“, betont Theis. Abends beim Kerbetanz kam dann kurzzeitig erneut „irgendwas zwischen Nieseln und Regen“ herab, das aber auch niemand groß störte. Als „Eine Band namens Wanda“ am Samstagabend aufspielte, war der Platz komplett mit tanzenden und feiernden Menschen gefüllt. Eigentlich war auch für den Sonntag Regen angesagt, doch die Wolken hielten dicht und so waren es bei einer Wolkendecke, aber warmen Temperaturen ideale Bedingungen für den Frühschoppen und Kaffeenachmittag unter freiem Himmel. „Bei praller Sonne sind die Plätze unter den drei Schirmen und drei Zelten schnell belegt, wenn man dann im Freien sitzen muss, ist das nicht so angenehm“, sagte Theis.
Nicht ganz so glatt lief in diesem Jahr die Beschaffung des Kerbebaumes. Abgesehen davon, dass der Förster im Flörsheimer Wald wegen des schlechten Zustands des Bestandes kaum noch etwas anbieten kann – eine Douglasie immerhin hätten die Kerbeborsch sich schlagen und holen können – machte die Verordnung des Landkreises Groß-Gerau zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest den Planungen einen Strich durch die Rechnung. Mit dem Traktor in den Wald (auf Raunheimer Gebiet) hineinzufahren und ein Bäumchen zu fällen, war aus rechtlichen Gründen in diesem Jahr nicht drin. „Über Mitglieder, die Verbindungen zum Forstamt in Königstein haben, konnten wir dort einen Baum holen“, berichtete Theis. Und so musste die Tradition, einen Baum mithilfe eines Landwirts mit Traktor und Anhänger im Flörsheimer Waldbesitz auf der anderen Mainseite zu schlagen und anzuliefern, für dieses Jahr eben ruhen.
Diskutiert wurde im Verein auf einer Klausurtagung schon 2022, ob es angesichts der sterbenden Wälder überhaupt noch zeitgemäß ist, jedes Jahr einen großen Baum zu fällen. „Wir haben überlegt, ob wir uns stattdessen eine Art Maibaum anschaffen, den man jedes Jahr wieder aufstellen kann“, erläutert der Vorsitzende. Im vergangenen Jahr holten die Vorstandsmitglieder sich dann in Gesprächen mit den Gästen Eindrücke dazu, was sie von der Idee halten. „Die Reaktionen waren gemischt, es gab auch viel Gegenwind“, lautete das Fazit und Weilbach 6091 stellte das Thema zurück. Keine negativen Stimmen dagegen hörte der Vorstand übrigens wegen des Verzichts auf den lebenden Hammel, wie der Vorsitzende berichtete. So stand seit Samstagvormittag auch in diesem Jahr ein Baum, wie ihn die Natur geschaffen hat, in der Ortsmitte, ordnungsgemäß auf halber Höhe mit einem Kranz geschmückt, die Kerbepuppe auf einem Stuhl thronend darüber. Aber damit war der Trubel um den Kerbebaum noch nicht vorbei, denn das Unglaubliche passierte in der Nacht zum Sonntag. „Die Pupp wurde geklaut“, berichtete Theis. Solche Aktionen sind als typische Kerbe-Scharmützel nicht unbekannt und guter Brauch, in Weilbach aber nicht jedes Jahr zu beobachten.
Man kennt seine Pappenheimer, ein Kerbeborsch war der Täter, ein nicht mehr aktiver, ehemaliger Kollege, namentlich bekannt, „er ist in der Nacht einfach hoch und hat ihn entwendet“. Am Sonntag klauten die Aktiven die Pupp aus der Scheune des Diebes einfach zurück und banden den Täter am Sonntagmittag auf dem Kerbeplatz an den Baum fest – für ein paar Minuten. Diebstahl, Einbruch und Freiheitsberaubung werden keinen Eingang in die Kriminalitätsstatistik der Stadt finden, aber auch keine anderen Delikte wurden während der vier Tage am Kerbeplatz registriert. In zwei Wochen wird der Vorstand sich zur Nachlese treffen und diskutieren, was besser laufen, verändert oder ergänzt werden könnte. Das sind dann auch schon die ersten Schritte zur Vorbereitung der Kerb 2025. So eine Analyse bedingt natürlich, dass die Führungscrew von Weilbach 6091 inmitten der Äppler, Kurzen und Asbach Cola einen klaren Kopf bewahrt. So viel Verantwortungsbewusstsein muss schon sein, aber das heißt nicht, dass der Vorstandsjob voller Entsagungen ist. „Die beiden Vorsitzenden und Kassierer dürfen sich keinen Totalausfall leisten“, erläuterte Theis. „Wir sprechen uns ab, wer wann da sein muss und wann nicht, jeder kann daher auch mal mitfeiern.“
Der Juxplatz lebt
Neben dem Geschehen am Haus amWeilbach soll auch das weitere Element der Weilbacher Kerb nicht unerwähnt bleiben. Die kleine Ansammlung von Bunden in der Schulstraße ist einen Besuch wert, solange der Betreiber des Autoscooters neben der Weilbachhalle mitmacht. Der Betrieb auf dem „Juxplatz“ wird nicht vom Kerbeverein, sondern von der Stadt organisiert und verantwortet. Trotz der jedes Jahr wieder irritierenden räumlichen Distanz zwischen den eigentlichen Kerbeaktivitäten und dem Rummelbetrieb scheint es weiter keine Überlegungen zu geben, wie die Elemente zusammenrücken könnten. Rund um den Festplatz am Haus am Weilbach dürfte da aus verkehrlichen Gründen nichts drin sein, ein Umzug des Kerbeplatzes an die Weilbachhalle kommt für die Aktiven wohl auch kaum in Frage. So bekommen die Bürger im Süden des Stadtteils eben im August für ein paar Tage eine kleine Kirmes geboten, während sie vom eigentlichen Kerbegeschehen möglicherweise gar nichts mitbekommen.
Quelle: Flörsheimer Zeitung vom 22. August 2024
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