Kerbeborsch passen die Tradition an / Beim Gickelschlag gibt es jetzt erstmals eine Wandertrophäe zu gewinnen.

Es war eine „lose-lose-Situation“ für beide Seiten. Für den Gickel ebenso wie für den Gewinner. Irgendwie hatte niemand Freude an der Sache. Der Gickel wohl am allerwenigsten, der stundenlang in einem kleinen Käfig ausharren musste. „Wer genau hinschaut, wird bemerken, dass ein aufgebrachter Hahn in einem Käfig am Rande des Platzes steht und sich sichtlich unwohl fühlt“, schreiben die Weilbacher Kerbeborsch in ihrer aktuellen Kerbezeitung.

In diesem Jahr wollen sie deshalb mit einer Tradition brechen, die ohnehin im Laufe der Zeit schon einige Transformationen erlebt hat. Der Gickelschlag soll zur Weilbacher Kerb, die am kommenden Wochenende gefeiert wird, zum ersten Mal ohne den Gickel auskommen. Zumindest ohne einen lebendigen Gickel. Das Federvieh, das dem Kerbevergnügen den Namen gab, hat in jüngerer Zeit den Gickelschlag zumindest überlebt. Früher soll es tatsächlich ein lebendiger Hahn gewesen sein, auf den mit verbundenen Augen mit einem Dreschflegel eingeschlagen wurde.

Seit Langem schon wird auf einen Tontopf oder, wie in Weilbach, einen Bembel geschlagen, doch der Gickel war als namensgebendes Zierrat noch immer dabei. Und brachte dem Gewinner des Gickelschlags meist mehr Verdruss als Freude. Denn die Zeiten, da in jedem Weilbacher Haushalt Platz für einen Hahn war, entweder im Stall oder im Kochtopf, sind ebenfalls vorbei. Und so gab es zur Ehre des Gickelschlaggewinns auch noch die Bürde, was man den nun mit dem Hahn anstellen soll.

„Der, der ihn gewinnt, wollte ihn eh‘ nicht haben“, sagt Matthias Theis, Vorsitzender der Weilbacher Kerbeborsch. Und deshalb wird es am Montag, 19. August, um 18 Uhr, zum Gickelschlag am Haus am Weilbach, ein großes Aufatmen unter den Gickelschlägern geben. Die Frage, wohin mit dem Federvieh, stellt sich nämlich nicht mehr. Statt lebendigem Gickel gibt es eine Wandertrophäe aus Edelstahl und Bronze, den der Flörsheimer Künstler Thomas Reinelt in Form eines stolzen Hahns gestaltet hat.

„Es ist für den Gickel besser und es ist für den Gewinner besser“, sagt Matthias Theis. Denn während der echte Gickel meist wieder an die Kerbeborsch zurückgegeben wurde, kann die Trophäe jetzt zumindest ein Jahr das heimische Wohnzimmer schmücken. An dem Spektakel des Gickelschlages ändert sich ohnehin nichts und auch an der Verpflichtung des Gewinners, die Kerbeborsch zum Essen einzuladen, wird trotz Stahlgickels nicht gerüttelt.

Bei der neuen Gickeltrophäe handelt es sich übrigens um eine kerbehistorisch hochgradig aufgeladene Skulptur. Die wurde nämlich nicht von irgendeinem Künstler geschaffen, sondern von einem Mann, der der Weilbacher Kerb durch eigenes Erleben aufs Engste verbunden ist.

Thomas Reinelt war in den Jahren 1967/68 nämlich selbst Weilbacher Kerbeborsch. „Wir haben damals in jedem Keller demonstriert“, sagt er in Anspielung auf die damals bewegten Zeiten. Blau-gelb waren die Farben der „Bettschoner“, erinnert sich Reinelt. Der Name sollte darauf anspielen, dass während der Kerb an alles, nur nicht an Schlaf zu denken ist. Während die Mütze verloren gegangen ist, sei die Schärpe noch in seinem Besitz, sagte Reinelt bei der Übergabe der Gickel-Trophäe in seiner Flörsheimer Werkstatt. Ein T-Shirt des aktuellen Kerbeborschjahrgangs hat Reinelt jetzt auch noch, als Dank für Anfertigung und Stiftung des Wanderpokals.

Doch nicht nur Thomas Reinelt ist der Weilbacher Kerb eng verbunden, auch seine Frau Rosi hat sich um das Volksfest verdient gemacht. Als sie noch Leiterin des katholischen Kindergartens war, hat sie die Tradition begründet, dass die Jungen und Mädchen die Kerbepuppe basteln. Das ist auch in diesem Jahr so und am Mittwoch können die Kerbeborsch das gute Stück in der Kita abholen. Der Tanz mit der Puppe ist dabei ebenso obligatorisch wie der Kindergickelschlag.

Quelle: Main-Spitze vom 17. August 2019